Der freie Wille eines Projektleiters 

9. Juni 2023 Von Stefan Ruchti

Philosophie des Geistes 

Projektleiter müssen Entscheidungen treffen. Hast du dir als Projektleiter schon einmal die Frage gestellt, inwieweit es gerechtfertigt ist, dass du verantwortlich gemacht werden kannst für deine getroffenen Entscheidungen? Fakt ist, dass es relativ irrelevant ist, ob die Entscheidung aus einem Gruppenkonsens resultiert oder eine Einzelentscheidung im Alleingang gewesen ist. Letztlich wird der Projektleiter zur Verantwortung gezogen und muss die daraus resultierenden Konsequenzen tragen.  

Mit dem Willen sind der geistige Akt, der Impuls zur Festlegung und Verwirklichung bestimmter Ziele gibt, und das Umsetzen dieser persönlich oder gemeinschaftlich getroffenen Entscheidungen in ein bewusstes und absichtsvolles oder ein geplantes Handeln gemeint. Zur Überwindung von „Hindernissen“ auf dem Weg zur Zielerreichung wird Willenskraft (Volition) benötigt.  

Der freie Wille spielt für den einzelnen Menschen und das Agieren in der Gesellschaft eine bedeutende, zentrale Rolle mit weitreichenden Auswirkungen. Mittels der Willenskraft kann das Individuum sein Handeln aktiv steuern, wir wissen aber auch, dass wir ständig zahlreichen internen unbewussten und externen Einflüssen unterliegen.  

Inwieweit unser Wille, unser Denken und die drauffolgenden Handlungen frei sind, ist umstritten. 

Der Wille und die darauffolgenden Handlungen haben immer Konsequenzen einerseits für das einzelne Individuum, anderseits aber auch für dessen Umgebung. Es ist wohl nicht abzustreiten und erkennbar, dass unsere Gesellschaft stark vom Grundgedanken geprägt wird, dass der Mensch einen freien Willen besitzt und somit die Meinungs- und Willensbildung sowie das politische Handeln auf dieser Annahme beruhen. Die ethischen Grundwerte sowie die Gewaltentrennung der Legislative, Exekutive und Judikative in unserer Demokratie gehen von einem freien Willen des Menschen aus.  

Im juristischen Sinne könnte man sich die Frage über Schuld und Unschuld wie folgt stellen: Inwiefern kann ein Individuum für seine Straftaten verantwortlich gemacht werden (abgesehen davon, wenn es im rechtswissenschaftlichen Sinne unzurechnungsfähig ist, also sein Denken und Handeln von einer psychischen Krankheit bestimmt wird)? Wenn beispielsweise ein ‘Täter’ keine Optionen für sein Handeln und für seinen freien Willen besitzen würde und die eigentliche Tat schon eine starke deterministische Komponente hat, die Tat also eher aus der Vorbestimmung und aus einem Korrelat von Genen und der Summe von allen vergangenen Erfahrungen abgeleitet werden kann, dann wäre dieser Täter im eigentlichen Sinne vor Recht und Gesetz ja in gewisser Weise unschuldig. Wir könnten uns an dieser Stelle die Frage stellen: Wenn wir keinen freien Willen besitzen, können wir daraus schlussfolgern, dass wir letztlich alle unzurechnungsfähig sind? Wem oder was wollen wir dann aber, im moralischen Sinne als ein Verstoß gegen das Gewissen verstanden, eine Schuld zuschreiben, Rechenschaft zollen? – dem Universum, Gott, einer höheren Macht? Was auch immer es ist, es ist eine direkte, an den Kern eines Problems gehende Frage, welche die Absichten und die Gesinnung aufdecken soll; es ist gemäß Johann Wolfgang von Goethe aus der Tragödie Faust I eine Gretchenfrage. Hat der Mensch einen freien Willen oder ist alles nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung determiniert? Spielen da in das Gesamtgefüge nicht noch die Begriffe Schicksal und oder Zufall hinein? Lässt sich eine Antwort auf unsere Willensfrage an dieser Stelle finden, dort, wo sich Gegensätze wie Determinismus und Indeterminismus im Kompatibilismus vereinen?  

„Ich lache eures freien Willens und auch eures unfreien: Wahn ist mir das, was ihr Willen heißt, es giebt keinen Willen.“ (Quelle: Friedrich Nietzsche: Nachlass, Sommer 1883, 13 [1–36], Zarathustras heilige Gelächter) 

Vertreter aus dem Lager der extremen Linken argumentieren im Sinne der Diskussion über das Thema des freien Willens, dass die Psychologie dem Bürger eine politische Entmündigung zuschreibt. Von der Psychoanalyse Sigmund Freuds bis zur Verhaltenspsychologie Burrhus Frederic Skinners wird der Psychologie unterstellt, dass diese sich an nicht mehr zeitgemäßen politischen Verhältnissen festhält. Alles wird auf das Unterbewusste des Menschen verlagert, politische Faktoren werden ignoriert und somit wird dem Individuum der freie Wille abgesprochen. Dies inkludiert auch die Fähigkeit, bewusst politisch handeln zu können.  

Schließt das Adjektiv ‘frei’ in Artikel 1 der Menschenrechte der UNO “Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.” auch den freien Willen mit ein? Ist dies sinngemäß so zu verstehen oder ist doch hier eher die Freiheit von Leibeigenschaft oder Knechtschaft gemeint? An dieser Stelle: Willhelm Tell sei gedankt! Freiheit findet sich auch in der Präambel der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft.  

“[…] Im Namen Gottes des Allmächtigen! Das Schweizervolk und die Kantone, in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung, im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken, im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben, im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen, gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht […]”  

Weiter findet sich im selben Gesetzestext in Art. 34 Politische Rechte und weiteren Passagen: “[…] Die Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung […]” Hier ist explizit das Wort Wille einbezogen.  

Wenn von Willensbildung gesprochen wird, könnte hier verstanden sein, dass ein freier Wille die Grundvoraussetzung dazu darstellt? Ich streite nicht ab, einen Willen können wir bilden, aber ist der überhaupt auch frei, oder ist alles eine Illusion und es existiert überhaupt kein freier Wille?   

In der Philosophie des Geistes, in der Position des Libertarismus, auch Libertarianismus genannt, wird der freie Wille bejaht. Die Annahme wird getroffen, dass wir Handlungsalternativen bei gegebenen Umständen haben und dass wir letztlich selbst verantwortlich für unsere Entscheidungen sind.  

Gegen einen freien Willen spricht der sogenannte Determinismus mit einer Definition, dass alle auch zukünftigen Ereignisse durch ihre kausalen Vorbedingungen (Ursache und Wirkung) eindeutig festgelegt sind. Die Naturphilosophie postuliert Determinismus, gestützt durch zwei Annahmen: Sämtliche natürlichen Prozesse sind durch Naturgesetze bestimmt und die Bewegungsgleichungen, also bei mathematischer Gleichung, beim Einsetzen von exakten Werten, ergeben eine eindeutige Lösung, und somit wird das Ergebnis schon festgelegt.  

Im Gegensatz zum Determinismus steht der Indeterminismus, der die Auffassung vertritt, dass nicht alle Ereignisse durch Vorbedingungen eindeutig festgelegt sind. Es gibt bestimmte Ereignisse, die nicht oder nicht eindeutig durch Ursachen bestimmt, sondern indeterminiert (unbestimmt) sind. Hier kommen die Begriffe Schicksal und Zufall ins Spiel – ein Ablauf von Ereignissen im Leben eines Individuums, die von höheren Mächten (Gott) vorherbestimmt oder von Zufällen bewirkt werden, wo also kein freier Wille vorhanden ist.  

Dabei kann unterschieden werden zwischen dem Schicksal im Sinne von: Alles wird durch ein “göttliches Prinzip” bestimmt oder alles läuft im Kontext der Naturgesetze deterministisch ab. Nach dieser Auffassung kann es in einem Universum ohne Zufall keinen freien Willen geben oder einem Schicksal, wenn das Fatums meint, dass wenn der Kausalzusammenhang äußere Handlungsumstände für den Menschen so bestimmt, wie dieser mit der impuls- und handlungsbestimmenden Zustimmung zu seinen Vorstellungen agiert. Zu keinem Zeitpunkt werden menschliche Entscheidungen reduziert auf kausale Faktoren, die außerhalb des Handelnden liegen.  

Das Phänomen des Zufalls wird dem Indeterminismus zugeschrieben. Der “nicht strenge Zufall” beruht auf einem Erkenntnisproblem, auf einem Messwertproblem. Zu einem Zeitpunkt X nicht alle Daten vorhanden sind, dessen hoher Komplexität des Systems wir das eingetretene Ereignis und seine Ursachen exakt erklären, vorhersagen können. In den wissenschaftstheoretischen Auffassungen wird mit dem Prinzip des Laplaceschen Dämons beschrieben, wie es, im Sinne der Vorstellung eines geschlossenen mathematischen Weltgleichungssystems, unter diesem möglich ist, mit der Kenntnis sämtlicher Naturgesetze und aller Faktoren der Initialbedingungen wie Lage, Position und Geschwindigkeit, alle im Kosmos vorhandenen physikalischen Teilchen aller vergangenen und jedes kommenden Zustands zu berechnen und zu determinieren. Nach dieser Aussage wäre es theoretisch möglich, beispielsweise die Lottozahlen voraussagen zu können. Dies wäre eine schöne Sache, wenn dies möglich wäre, oder?  

Gibt es aber auch einen Vorgang, der ohne ein Zuvor auskommt? Also einen Vorgang, der in keiner Weise mit dem Zuvor in Verbindung gebracht werden kann und völlig ursachenfrei ist? Hier ist der ‘strenge Zufall’ gemeint. In der Philosophie im Bereich der Metaphysik hat sich einer der Protagonisten, Leibnitz, ein Rationalist, mit metapsychischen Grundhypothesen auseinandergesetzt. Er stellte fest, dass es den Satz vom zureichenden Grunde gibt: “Es gibt nichts das ohne zureichenden Grund stattfindet.” Es gibt immer ein Zuvor. Aber wie ist es mit dem Beginn des Kosmos, dem Urknall, zu dem Zeitpunkt, wo wir Raum und Zeit entstehen lassen? Nach diesem Zeitpunkt beginnt die Kausalität von Ursache und Wirkung. Dies steht im Zentrum von europäischen oder abendländischen Geisteswissenschaften. Strenger Zufall meint also, wenn für Ereignisse überhaupt keine kausale Erklärung gefunden werden kann. 

Im Jahre 1926 wird die Physik vom Blitz getroffen. Mit Werner Heisenbergs Unbestimmtheitsrelation wird die Unbestimmtheit in die Quantenmechanik eingeführt. Ort und Impuls können nicht gleichzeitig gemessen werden: Impuls = Masse X Geschwindigkeit. Es bleibt also immer eine Unbestimmtheit in der Größe des planckschen Wirkungsquantums. Die Unbestimmtheitsrelation ist keine Aussage über ein Messproblem, sondern eine grundlegende Aussage über die Welt. Die Welt ist nicht beliebig genau bestimmt. Die klassische Theorie, dass sich ein Elektron in den sogenannten Bohrschen Bahnen um den Atomkern herumbewegt, ist überholt und nicht der Fall. Vielmehr ist das Elektron im Rahmen einer Wahrscheinlichkeitswolke zu betrachten. Die Unbestimmtheitsrelation hat sich also als eine metaphysikalische Aussage erwiesen. Die Welt ist unbestimmt. Gesichertes Wissen ist: In der Welt der kleinsten Dinge ist der Zufall der Normalfall. In der Welt der großen Dinge gibt es eine Art von Zufall durch eine enge Vernetzung, in dieser die Welt so miteinander vernetzt ist, dass kleinste Veränderungen in der Vergangenheit riesige Auswirkungen auf die Zukunft haben können. Diese Komplexität erlaubt die Annahme, dass unser Handeln und der zugrunde liegende Wille wohl auch diesem Prinzip unterworfen sind und somit nicht frei sein können.  

Kompatibilismus, auch als „weicher Determinismus“ bezeichnet, wird eine Theorie genannt, in der freier Wille mit Determinismus einhergeht.  

Einige Vertreter des Kompatibilismus sehen im Determinismus eine notwendige Voraussetzung für die Existenz des freien Willens. Paradoxerweise ist es der Determinismus, der die Willensfreiheit unterstützt, und nicht der Indeterminismus. Die Erklärung ist, dass freie Handlungen und Entscheidungen nur dann frei sind, wenn sie aus Gründen des Determinismus erfolgen. 

Haben sie Lust auf einen kleinen Diskurs? Wenn wir in der Bibel die Geschichte über den Sündenfall im ersten Buch Mose (GENESIS), Kapitel, Vers 1. lesen, ziehe ich aus der Überlieferung dieser Geschichte folgende Schlüsse: Die ersten zwei Menschen Adam und Eva müssten schon im Besitz eines Willens gewesen sein. Beim Sündenfall geht es um die Verführung durch die Schlange, von der Eva aufgefordert wird, vom Baum der Erkenntnis zu essen. “Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“   

In jüdischen oder christlichen Kulturkreisen ist das Wissen über den weiteren Verlauf weit verbreitet. Die Frau ass die und gab diese auch ihrem Mann und auch dieser hat diese verkostet. “Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.” Meines Erachtens lässt sich dadurch mit der neu gewonnen Erkenntnis eine Selbstwahrnehmung des Menschen beschreiben: Bewusstsein über ihre Nacktheit der Schamgefühle und die Kündigung der Aufenthaltsbewilligung für den Menschen im Garten Eden Strafe von Gott. Seltsam ist, dass ein Wille schon da gewesen sein musste. Wer hat bei Eva diesen Willen injiziert, sodass sie diese Frucht pflückte uns aß? War es deterministisch? Schicksal oder Zufall? Ich nehme an dieser Stelle an, der Schöpfer müsste einen freien Willen haben, wenn er als allmächtig erklärt wird. In der Kritik bestimmter religionsphilosophischer und theologischer Freiheitsinterpretationen wird häufig die Annahme angeführt, dass die menschliche Freiheit bestehen könne. Denn wenn Gott alle Fakten kennt, also allwissend ist, weiß er auch, welche Entscheidung ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt treffen wird. Es bestünden also aufgrund dieser göttlichen Erkenntnisse keine alternativen Handlungsmöglichkeiten für den Menschen – eine Endlosschleife auf der Suche nach Wahrheit für diese schwer plausiblen Erklärungen. Können diese weder verifiziert noch falsifiziert werden? 

Das gegenwärtige Erklärungsmodell der Hirnforschung über die Steuerung der Willkürmotorik (Willkür wird in der Medizin als die bewusste Kontrolle von Körperfunktionen über das somatische Nervensystem verstanden). Grundlegende Antriebe für das Verhalten des Menschen haben einen subkortikalen Ursprung und entstehen im limbischen Bewertungs- und Gedächtnissystem. Das limbische System ist die Funktionseinheit des Gehirns, in dem die Verarbeitung von Emotionen und das Triebverhalten entstehen. Das limbische Bewertungs- und Gedächtnissystem aktiviert die Basalganglien – den subcortikalen basalen Kern, der für wichtige funktionelle Aspekte motorischer, kognitiver und limbischer Regelungen von großer Bedeutung ist. Zum Beispiel ist hier zu nennen: Willenskraft, Spontaneität, Affekt, Initiative, Antrieb, schrittweises Planen, vorwegnehmendes Denken, Erwartungen und motorische Selektion. Es wird aber auch das Kleinhirn aktiviert, das eine wichtige Aufgabe bei der Steuerung der Motorik innehat. Dieses ist verantwortlich für die unbewusste Planung, Koordination, Feinabstimmung und das Erlernen von Bewegungsabläufen. Im Weiteren wird dem Kleinhirn eine wichtige Rolle in der kognitiven Evolution zugesprochen. Das Kleinhirn setzt die kortikalen Prozesse in Gang. Erst dann setzt die Empfindung ein, etwas zu wollen. Der Cortex lässt sich grob in fünf bis sechs Lappen einteilen. Beispielsweise gibt es den präfrontalen Cortex, der mit Handlungsplanung und -initiierung in Verbindung gebracht wird. Betreffend der Willkürhandlungen tritt also neuronale Aktivität zuerst in den Basalganglien und im Kleinhirn und erst danach in der Großhirnrinde auf. 

Gemäß der Biologie wird der Wille eines Menschen auch durch Erbanlagen und Umwelteinflüsse bestimmt. Eine kontrovers geführte Debatte der Biologie ist die Frage, ob das Verhalten des Menschen eher aufgrund seiner Phylogenese oder eher aufgrund seiner persönlichen ontogenetischen Prägung bestimmt ist. Die Frage ist also: Wie stark ist der freie Wille durch die Humangenetik und auf den biologischen Grundlagen im Gegensatz zur Prägung durch Kultur und Umgebung festgelegt? Zahlreiche genetische Studien haben spezifische genetische Faktoren identifiziert, die eine Wirkung auf die Persönlichkeit und die Freiheit eines Individuums haben.  

In der Psychologie wurde eine Reihe von Experimenten durchgeführt. Der Psychologe Daniel Wegner betrieb Forschung, in der Individuen eine Illusion der Kontrolle erleben und in ihrer Empfindung das Gefühl haben, dass ihr Wille ein bestimmtes Ereignis auslöst, das in Wahrheit von jemand anderem bestimmt wird. Bei Wegner wird der freie Wille definiert als eine Funktion der Prioritäten. Der Gedanke muss vor der Handlung kommen. Die Konsistenz der Gedanken muss mit der Handlung übereinstimmen sowie kann die Exklusivität der Gedanken nicht mit anderen Ursachen in Verbindung gebracht werden. Wegner hat aber nicht dagegengehalten, dass bewusstes Denken durch Handeln herbeigeführt werden kann. In der Psychologie wird seit den 1950er Jahren nicht nur die Willensfreiheit, sondern auch die Funktion des Glaubens an eine solche empirisch untersucht. Viele Ergebnisse aus Studien zum Glauben an einen freien Willen konnten nicht repliziert werden. 

In der Debatte über das Konzept der menschlichen Willensfreiheit können wir hier das 1979 durchgeführte, viel diskutierte Experiment, das Libet-Experiment, des Physiologen Benjamin Libet nennen. In diesem Experiment wurde die Gehirnaktivität, die dazu führte, dass eine Person ihren Finger bewegte und dies zeitlich gekoppelt wurde, gemessen. Das Ergebnis des Experiments hat aufgezeigt, dass im Moto(r)cortex, dem motorischen Zentrum des Gehirns, Vorbereitungen getroffen werden, sodass die Bewegung des Fingers des Menschen bereits begonnen hat, bevor der Proband sich bewusst war, dass man sich für die Ausführung dieser Bewegung entschieden hatte. Der zeitlich gemessene GAP betrug im Schnitt ca. 0.35 Sekunden; die Bewegung erfolgte ca. 0.2 Sekunden später.  

Schon 1964 wurde die vorausgehende und unbewusste Gehirnaktivität von William Grey Walter und 1965 von Hans Helmut Kornhuber und Lüder Deecke beschrieben und als das sogenannte Bereitschaftspotential bezeichnet. Die Schlussfolgerung von Libet war, dass die Behauptung, dass der Mensch keinen freien Willen hat, falsch sein muss. Seine Argumentation lag der Erkenntnis zugrunde, dass zwischen Bereitschaftspotential und bewusst empfundener Handlungsentscheidung ein „Veto“ möglich ist. Dieses Veto wurde 2016 in einer Studie mittels eines Brain-Computer-Interface genauer untersucht und es stellte sich heraus, dass die bis etwa 200 Millisekunden vor der eigentlichen Durchführung beabsichtigten willkürlichen und motorischen Handlungen unterbunden werden können. Weitere Experimente und ihre Ergebnisse folgten von Haggard und Eimer aus dem Jahr 1999 und bestätigten Libets Daten, wonach das Bereitschaftspotential der bewusst empfundenen Entscheidung vorausgeht. 

Bezüglich der Möglichkeit von Libet, ein „Veto“ einzulegen, deutet das Experiment von 2009 zur Bewusstheit willentlicher Entscheidungen von Kühn und Brass darauf hin, dass auch Veto-Entscheidungen unbewusst getroffen werden und erst nachträglich als freie Entscheidungen empfunden werden. Das Interessante ist, dass wir das Gefühl haben: Ich entscheide mich jetzt, aber irgendetwas im Gehirn ist schon unbewusst davor passiert. Der genaue Zusammenhang zwischen den unbewussten Hirnprozessen und der Sekunden später bewusst getroffenen Entscheidung ist jedoch noch unklar.  

Der neuste Stand ist, dass die experimentellen Forschungsergebnisse auf dem Gebiet des neuronalen Korrelats des Bewusstseins u. a. von Haynes aber darauf hinweisen, dass solche Gehirnaktivitäten – nachdem sie unwillkürlich gestartet wurden – willentlich gestoppt werden können. Der Mensch sei den frühen Hirnwellen nicht unkontrollierbar unterworfen, sondern ist dazu in der Lage, aktiv in den Ablauf der Entscheidung einzugreifen zu können und, wenn gewollt, eine Bewegung abbrechen zu können. Dies würde bedeuten, dass die Freiheit menschlicher Willensentscheidungen wesentlich weniger eingeschränkt ist, als wir bisher gedacht haben. Es gibt aber einen Punkt, den ‚point of no return’, im zeitlichen Ablauf von Entscheidungsprozessen, ab dem eine Umkehr nicht mehr möglich ist.  

Fazit 

Festzuhalten ist, dass, wenn wir einen freien Willen besitzen, würde dafürsprechen, im Sinne der moralischen Verantwortlichkeit, dass unsere Gesellschaftsordnung auseinanderbrechen würde, wenn niemand mehr für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden kann. Der juristische Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ wäre nicht mehr anwendbar. Dies gilt selbstverständlich leider auch, oder besser zum Glück, für den Projektleiter.  

Es könnte die Meinung vertreten werden, die einem Individuum auch im Determinismus moralische Verantwortung zuschreibt, dass es im Grunde genommen dabei immer um die Frage der Urheberschaft geht. Wäre es nicht ein Widerspruch, wenn abgestritten wird, dass der Urheber einer Handlung, seine Neuronen und die in seinem Körper ablaufenden physischen Prozesse eines Menschen nicht Teile dessen sind und er dafür keine Verantwortung zu tragen hat?  

Ich finde keine befriedigende, abschließende Antwort, ob der Mensch einen freien Willen hat oder eben nicht. Dieses komplexe Thema ist noch unbeantwortet. Um die Wahrheit genau zu kennen, ist wohl noch „20 Jahre Forschung zum Thema Gehirnmechanismen des freien Willens“ erforderlich.  

Mein Fazit ist: Der Mensch hat bedingt einen freien Willen mit einem bewussten und unbewussten Anteil. Die Klarheit über den freien Willensentscheid wird aber wohl immer im Dunkeln bleiben, da wir mit unseren begrenzten empirischen Wahrnehmungsmöglichkeiten dem Mysterium des Bewusstseins wohl nie ganz auf die Schliche kommen werden und demzufolge wohl nur Annahmen getroffen werden können.  

„Ich weiß ehrlich nicht, was die Leute meinen, wenn sie von der Freiheit des menschlichen Willens sprechen. Ich habe zum Beispiel das Gefühl, dass ich irgend etwas will; aber was das mit Freiheit zu tun hat, kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich spüre, dass ich meine Pfeife anzünden will und tue das auch; aber wie kann ich das mit der Idee der Freiheit verbinden? Was liegt hinter dem Willensakt, dass ich meine Pfeife anzünden will? Ein anderer Willensakt? Schopenhauer hat einmal gesagt: ‚Der Mensch kann tun was er will; er kann aber nicht wollen was er will.‘“– Albert Einstein